Correspondence with Marie Steiner
1901–1925
GA 262
Translated by Steiner Online Library
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To Marie von Sivers in Schlachtensee near Berlin
Sunday, April 19, 1903
Weimar, 19 April 1903
Dear Sister, Deinhard has not yet reported in. So he will probably not come until today. Yesterday the Weimar branch lodge was constituted here. In addition to the two lectures, I also gave two more intimate circles with those who will join. I have long felt that our presence in London will be necessary in the near future. Now that Olcott is in Europe, it is unavoidable. But, my dear sister, we must weigh everything up carefully and determine the right time for this end. Because I believe I can tell you that this next period will not bring us any unimportant matters. We must not follow our immediate impulses in any matter. What you just sent me – in Vâhan – is just a symptom. Many things are working against us. And Bresch currently has the right feeler. What he says himself is perhaps more important right now than the writer is aware of. Incidentally, I will most likely travel to Berlin via Leipzig on Tuesday. It seems to me for the time being that I must speak with Bresch. When I am back with you, we will calmly discuss everything regarding Olcott's presence. Mrs. Lübke, who, through her three years of working with the Theosophists in London, has learned to see things quite differently from the old members in Germany, agreed with me the day before yesterday when I pointed out the importance of personally approaching Olcott now. I now feel here that what we have begun to do is right. What matters is not how much we achieve here or there in the first rush, but whether we are doing the right thing – the thing determined by the time karma. As soon as I arrive in Berlin, my three lectures have to be printed.11NoteText And for the “Lucifer” 12NoteText there is no better time than the one in which it will appear. You will readily admit that Deinhards discussion with me must be meaningless if we want to make progress. What he says will not be important to me, but rather what he does not say. In Hübbe-Schleidens last letter, too, the most important thing is not in it at all. I will talk to you about various things in the next few days, which will make some things clearer to you. For today, just a guiding principle: we will stand together faithfully; and we will both, even in the face of any misunderstandings that may arise in the near future, do everything in the fullest loyalty and devotion to Mrs. Besant's intentions.
What you tell me about your meditation makes me happy. I know you will continue to make progress. And I also know that you are guided by the best forces. So continue. It was so sweet of you to write to me yesterday as well, so that I received your letter this morning. For me, Weimar now has a real two-faced quality. You know that I have often spoken to you about my feeling of certain “untruths”. I was in Weimar for seven years,13many of Rudolf Steiner's letters from this time can be found in the volume 'Letters II', CW 39. and it is understandable that even today the “ghosts” of those “untruths” are creeping out of all corners again. There is too much that is personal about my relationships in Weimar.
In loyalty and brotherhood, R. St.
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An Marie von Sivers in Schlachtensee bei Berlin
Sonntag, 19. April 1903
Weimar, 19. April 1903
Liebe vertraute Schwester! Deinhard hat sich bis zur Stunde noch nicht gemeldet. Er wird also wohl erst heute kommen. Gestern hat sich hier die Weimarische Zweigloge konstituiert. Außer den beiden Vorträgen habe ich auch noch - mit denen, die beitreten werden - zweimal engeren Zirkel gehalten. - Dass unsere Anwesenheit in der nächsten Zeit in London notwendig sein werde, habe ich seit lange empfunden. Jetzt, da Olcott in Europa ist, ist sie wohl unvermeidbar. Aber, liebe vertraute Schwester: wir müssen zu diesem Ende alles wohl erwägen und uns den rechten Zeitpunkt bestimmen. Denn ich glaube, Dir sagen zu können, dass diese nächste Zeit für uns keine unwichtigen Sachen bringen werde. Wir dürfen jetzt in keiner Sache unseren nächsten Impulsen folgen. Was Du mir eben — im Vâhan — gesandt hast, ist ja nur Symptom. Es arbeitet manches gegen uns. Und Bresch hat gegenwärtig einen richtigen Fühler. Was er selbst sagt, ist gerade jetzt vielleicht wichtiger, als sich der Schreiber selbst bewusst ist. Höchstwahrscheinlich reise ich übrigens Dienstag über Leipzig nach Berlin. Es scheint mir vorläufig, dass ich Bresch sprechen muss. - Also wir werden, wenn ich wieder bei Dir bin, alles in bezug auf Olcotts Anwesenheit ruhig besprechen. Frau Lübke, die durch ihr dreijähriges Zusammenwirken mit den Londoner Theosophen ganz anders sehen gelernt hat, als die alten Mitglieder in Deutschland, gab mir schon vorgestern Recht, als ich auf die Wichtigkeit hinwies, jetzt Olcott persönlich nahe zu treten. Ich empfinde nun hier, dass richtig ist, was wir zu tun begonnen haben. Nicht darauf kommt es an, wieviel wir da oder dort im ersten Ansturm erreichen, sondern ob wir das Richtige - das durch das Zeit-Karma Bedingte - tun. Sogleich wenn ich nach Berlin komme, müssen meine drei Vorträge gedruckt werden.11Die ersten öffentlichen Darstellungen der Inhalte der Theosophie (Die Theosophie und die Fortbildung der Religionen, Die theosophischen Hauptlehren, Die Theosophie und der wissenschaftliche Geist der Gegenwart) in Berlin im März und April, und deren Wiederholung in Weimar. Der Druck ist nicht erfolgt; die Gründe dafür sind nicht bekannt. Und für den «Luzifer» 12Die von Rudolf Steiner herausgegebene «Zeitschrift für Seelenleben und Geisteskultur, Theosophie», deren erste Nummer am 1. Juni 1903 erschien, ab Januar 1904 mit der Wiener Zeitschrift «Gnosis» zu «Lucifer-Gnosis» verbunden. ist wohl kein Zeitpunkt richtiger als gerade der, zu dem er erscheinen wird. — Dass Deinhards Besprechung mit mir ohne Bedeutung sein muss, wenn wir vorwärts kommen wollen, das wirst Du ohne weiteres zugeben. Das wichtige für mich wird auch gar nicht sein, was er sagt, sondern, was er nicht sagt. Auch in Hübbe-Schleidens letztem Brief ist das wichtigste, was gar nicht darinnen steht. Ich werde mit Dir in den nächsten Tagen über Verschiedenes sprechen, was Dir manches klarer machen wird. Für heute nur einen Richtsatz: Wir halten treu zusammen; und wir tun beide, auch gegen etwaige Missverständnisse, die in der nächsten Zeit kommen könnten, alles in vollster Treue und Hingebung an Mrs. Besants Intentionen.
Was Du mir über Deine Meditation mitteilst, macht mich froh. Ich weiß, Du wirst weiter kommen. Und ich weiß auch, dass Dich die besten Kräfte leiten. Fahre also fort. Es ist so lieb, dass Du mir auch gestern geschrieben hast, so dass ich heute morgen den Brief von Dir erhielt. Weimar hat für mich ein rechtes Doppelgesicht jetzt. Du weißt, dass ich Dir öfter von meiner Empfindung gewisser «Unwahrheiten» gesprochen habe. Ich war in Weimar sieben Jahre,13Viele Briefe Rudolf Steiners aus dieser Zeit findet man in dem Band «Briefe II», GA 39. und da ist es einzusehen, dass auch heute wieder die «Gespenster» jener «Unwahrheiten» aus allen Winkeln hervorkriechen. Es haftet an meinen Relationen in Weimar zu viel Persönliches.
In Treuen und Brüderlichkeit R. St.