Correspondence with Marie Steiner
1901–1925
GA 262
Translated by Steiner Online Library
213
To Rudolf Steiner in Dornach
Saturday, October 18, 1924
Lübeck, October 18, 1924
Dear E.
Unfortunately, Clason has forgotten the last two telegrams in the hustle and bustle of her business. But you should now have received the letter from Bremen. In Kiel, a laboriously achieved lighting solution had been set up. The hall was better than in Bremen, large and bare, but the stage was decent. The hall holds 1,300 people and there were about 800 people there, with a very small membership. It was a good reception. During the comic pieces (in the second part), it seemed as if some ladies were giggling unkindly, but that was lost in the applause. I had some concerns when I saw the lost grandeur of this city, which still has a large university. Perhaps it was also quite good that we did not have the big theater. Here in Lübeck we have a wonderful theater. One is only anxious about the attendance at the matinee, because the theater evenings are also poorly attended, and the Strauss-Pfitzner performances as well.
We still have nice car rides, which are very refreshing after the other exertions. It is always amazing how diverse Germany is. Holstein is so very different from the area around Hamburg. There would be a lot to see in Lübeck if one had the time and energy. This morning I let myself be tempted by a few things, but I fear the consequences of exhaustion, and therefore I have to be briefer in my writing than I would like to be.
I am so grateful and almost embarrassed that I find a letter from you everywhere.
I am already working a lot with the forms, copying, distributing and living into them. — The quarrel scene with Oberon and Titania will help us a lot. In Kiel, I was able to get the stage of the trade union building for a rehearsal on Friday morning, and there we were able to draft the second Berlin public program. — Whether we can manage the scene with Titania, Zettel and the elves, I cannot yet know. We would also need Stuten as a note, and it seems to me rather risky to risk something like that without your review. But I will try. So stupid that the one leaf from the book that I sent you recently was missing. When I divided the text into the form, the form just coincided with the text I sent. But the last bit seems to demand something new.
It is fatal to expect such a patchwork from you, and it was really only due to necessity. I would have liked to have drawn all the forms and sent them to you. But where to find the time?
I feel that a little more is needed to make the story of the enchantment really memorable. We now have the quarrel scene, the order given to Droll to pick the flower. Droll leaves (page 20, act 2, scene I) and Oberon should still be able to dance:
"If I only
the juice, I'll, when she sleeps,
Titania overhear, and in her eye it drop.
What she at once beholds, when she awakes,
Be it a lion, bear, a wolf, or bull,
A pert and curious little monkey,
She shall pursue it with her loving mind.
And before I release her from this spell,
As I can with another herb,
She must leave me her squire.
That seems to me to be quite necessary. Isn't it?
Monday, October 20.
Now the performance in Lübeck was also a success. The very beautiful theater was not full, but it was still quite well attended. In any case, we had the best-attended house here in a long time. The Strauss and Pfitzner festival was a flop for the directors; they had poorly attended houses and large losses. The reception was very friendly, without any antagonism; even the actors behind the scenes were very friendly. In the afternoon we took a trip to a megalithic tomb, which was actually more massive and imposing than the Cromlech's we saw in England. Mr. Meyer will probably ask at the next workers' lecture how people were able to lift such stones back then.
Now we are going to Hamburg, where we have the Michaeli program tomorrow at 5 p.m. in the Kammerspiel Theater. This morning we were able to arrange a rehearsal here in the theater hall. From 8 a.m. to 10 a.m. tomorrow morning, we will have the dress rehearsal in Hamburg. Then we will go to Berlin, some on Wednesday, some on Thursday, and rehearse the Midsummer Night's Dream. I wonder how Stutens music will fit into all of this! I'll have him come to Berlin now.
Warmest regards, I hope you are in less pain now. Marie.
On Friday we will have a rehearsal at the Lessing Theater for the first public program.
213
An Rudolf Steiner in Dornach
Samstag, 18. Oktober 1924
Lübeck, 18. Okt. 1924
Lieber E.,
leider hat Clason im Trubel ihrer Geschäfte die zwei letzten Telegramme vergessen. Aber von Bremen wirst Du jetzt den Brief wohl erhalten haben. In Kiel war eine mühsam errungene Beleuchtungsmöglichkeit zu Stande gekommen. Der Saal war immerhin besser als in Bremen, groß und kahl, — die Bühne ordentlich. Der Saal fasst 1300 Menschen und es waren zirka 800 Menschen da, bei einer sehr geringen Mitgliederzahl. Es war eine gute Aufnahme, bei den heitern Sachen schien es (im zweiten Teil), als ob einige Damen unwohlwollend kicherten, aber das verlor sich im Applaus. Ich hatte, als ich die versunkene Größe dieser Stadt sah, die aber noch eine große Universität in sich hat, einige Befürchtungen gehabt. Vielleicht war es auch ganz gut, dass wir nicht das große Theater hatten. Hier in Lübeck haben wir ein herrliches Theater. Man ist bloß ängstlich wegen des Besuchs der Matin&e, denn auch die Theater-Abende seien schlecht besucht, auch die Strauß-Pfitzner-Veranstaltungen.
Wir haben noch immer schöne Autofahrten, die von den andern Strapazen sehr erholen. Es ist immer erstaunlich, wie mannigfaltig Deutschland ist. Holstein so ganz anders als die Gegend um Hamburg. - In Lübeck gäbe es ja sehr viel zu sehn, wenn man Zeit und Kraft hätte. Ich habe mich heute morgen zu einigem verführen lassen; fürchte aber etwaige Folgen der Übermüdung, und muss mich deshalb auch im Schreiben kürzer fassen, als ich gern möchte.
Ich bin so dankbar und fast beschämt, dass ich überall einen Brief von Dir vorfinde.
Mit den Formen arbeite ich schon viel, kopierend, verteilend und einlebend. — Bei Oberon und Titania wird uns die Streitszene sehr helfen. In Kiel konnte ich die Bühne des Gewerkschaftshauses am Freitagmorgen zu einer Probe bekommen, und da haben wir das zweite Berliner öffentliche Programm entwerfen können. - Ob wir mit der Szene von Titania, Zettel und den Elfen zurecht kommen, kann ich noch nicht wissen. Wir müssten dann auch Stuten als Zettel haben, und es scheint mir doch gewagt, ohne Deine Begutachtung so etwas zu riskieren. Aber probieren werde ich. So dumm, dass das eine Blatt aus dem Buche fehlte, das ich Dir letzthin schickte. Bei der Einteilung des Textes in die Form hinein, deckte sich die Form grade mit dem zugeschickten Text. Aber das letzte Stückchen scheint mir schon was neues zu verlangen.
Es ist fatal, Dir solch ein Flickwerk zuzumuten, - und wirklich nur durch die Not gekommen. So gern hätte ich alle Formen abgezeichnet und Dir geschickt. Aber wo die Zeit hernehmen?
Noch ein Stückchen scheint mir geboten, damit sich die Geschichte der Verzauberung recht einprägt. Wir haben nun die Streitszene, den an Droll gegebenen Auftrag, die Blume zu pflücken. Droll zieht ab (Seite 20, Akt 2, Sz. I) und Oberon müsste noch tanzen können:
«Hab ich nur
den Saft erst, so belausch’ ich, wenn sie schläft,
Titanien, und träufl’ ihr ihn ins Auge.
Was sie zunächst erblickt, wann sie erwacht,
Sei’s Löwe, sei es Bär, Wolf oder Stier,
Ein naseweiser Aff! ein Paviänchen:
Sie soll’s verfolgen mit der Liebe Sinn.
Und eh ich sie von diesem Zauber löse,
Wie ich’s vermag mit einem andern Kraut,
Muss sie mir ihren Edelknaben lassen.»
Das scheint mir ziemlich notwendig. Nicht wahr?
Montag, 20. Okt.
Nun ist auch die Vorstellung in Lübeck geglückt. Das sehr schöne Theater war nicht voll, aber immerhin ordentlich besetzt. Jedenfalls haben wir das bestbesetzte Haus gehabt seit langer Zeit hier. Die Strauß- und Pfitzner-Festspiele sind ein Reinfall für die Direktoren gewesen, sie hatten schlecht besuchte Häuser und große Verluste. Die Aufnahme war eine sehr freundliche, ohne Gegenstimmung; sogar die Schauspieler hinter den Kulissen waren sehr freundlich. - Wir machten am Nachmittag einen Ausflug zu einem Hünengrab, das eigentlich wuchtiger und imposanter war, als die Cromlech’s, die wir in England gesehen. Herr Meyer wird sich wohl beim nächsten Arbeitervortrag erkundigen, wie denn die Menschen damals solche Steine heben konnten.
Jetzt geht’s gleich nach Hamburg, wo wir morgen 5 Uhr im Kammerspiel-Theater das Michaeli-Programm haben. Heute morgen konnten wir noch eine Probe hier im Theatersaal arrangieren. Um 8 Uhr morgens bis 10 — morgen früh -— haben wir die Generalprobe in Hamburg. Dann gehen wir nach Berlin, die einen am Mittwoch, die andern am Donnerstag und üben am Johannisnachtstraum. Wie sich wohl Stutens Musik in alles einreihen wird! Ich lass ihn nun nach Berlin kommen. -—
Allerherzlichsten Gruß, könnte ich doch hoffen, dass Du jetzt weniger Schmerzen hast. Marie
Am Freitag haben wir schon Probe im Lessing-Theater für das erste öffentliche Programm.