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The Rudolf Steiner Archive

a project of Steiner Online Library, a public charity

Correspondence with Marie Steiner
1901–1925
GA 262

Translated by Steiner Online Library

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To Marie von Sivers in Schlachtensee near Berlin
Thursday, April 16, 1903
Letterhead: Kaiser - Kaffee - Konditorei

Weimar, April 16, 1903

Dear Sister, Dear Confidante! So the first lecture is over. It was quite well attended. I often felt as if I had to look for you in the auditorium. Incidentally, I immediately saw that I had to say some things differently for Weimar than I did in Berlin. There is enough resistance here too. Mrs. Lübke 1Helene Lübke, née v. Bleszynska (1859-1916), wife of the art historian Wilhelm Lübke (died 1893), member of the T.G. in London, and from 1902/03 also of the German Section. In 1903/04 she lived in Weimar, where she organized Rudolf Steiner's three public lectures in April and founded the Weimar branch. In April 1906 she returned to England. works with devotion. Everything was arranged in the nicest and best way. She has a truly theosophical attitude. — Of course, especially in foreign cities, I always have new important experiences for myself regarding the way of working. I hope that if I diligently utilize all such experiences, we will make progress. We, working together, can hope to achieve something in Germany. We are together even when we are not physically next to each other. I will make the second lecture more popular than it was in Berlin. It seems that even in little Weimar, too little understanding of evolution and science has taken hold, despite Haeckel's work at the university in the neighboring city of Jena.

After the lecture, Mr. von Henning 2Horst v. Henning (d. 1943), general agent, friend of Rudolf Steiner from the Weimar period, member of the T.G. since 1895, later chairman of the Weimar branch. took me to the Schlaraffia, of which he is a member. It was a sacrifice, but I wanted to make it because the editor of the Weimar newspaper “Deutschland” asked me to; and I would not want the newspapers here to be hostile to the Theosophical movement from the outset. In small towns, newspapers have a much greater influence than in larger ones. But I was able to gain experience sub specie humanitatis again. I had never been to a meeting of Schlaraffia before.3A German association that has spread across the globe since the mid-19th century. Lit.: O. R. Zimmer, Schlaraffia, 1926. It is something that was originally founded as a parody of certain excesses of social life. It is now instructive to see how such things insinuate themselves into the spirits of people. This Schlaraffia has many thousands of members in all parts of Germany and Austria and branches in most German cities. Now its original parodistic character can hardly be seen as such anymore; because the game has a serious effect on the mind. One must see something like this to know what aspirations live in human minds that detract from where we want to lead. Otherwise, one often does not know where the source of certain astral vibrations lies, which come at one with great power and whose origin is to be sought in places below the surface of our social existence. In such places a multitude of forces gather that are opposed to Theosophy. There they play their game under the strangest masks. One gets to know them particularly in the form of flatterers who slowly and surely creep into the soul. Many of the things that work against our movement lead, when one follows their sphere of activity, to such and similar places. The people who sit before us are often not with us because they are directed by forces that lead them here and there into the trivialities of life, into a triviality that gradually becomes the nerve of life. Such things can only be counteracted by the real Theosophists, who are completely so and who therefore become accumulators of astral forces, in order to bring about an improvement in thinking and feeling. I know that every thought, even if it remains unspoken, but if it only moves in the theosophical line, is a force that means a great deal at the present time. Without a tribe of true theosophists who, through diligent meditation, improve the present karma, the theosophical teaching would only be preached to half-deaf ears.

It is likely that I will be in Schlachtensee 4In January 1903, the leadership of the German section was moved from Kaiser-Friedrich-Straße 54a in Charlottenburg to Schlachtensee, Seestraße 40, and in October 1903 to Motzstraße 17, Berlin W. on Saturday morning, so letters that arrive later will no longer reach me. Tonight there is a Theosophical Circle at Mrs. Lübke's.

In loyalty and brotherhood, yours, R. St.

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An Marie von Sivers in Schlachtensee bei Berlin
Donnerstag, 16. April 1903
Briefkopf: Kaiser - Kaffee - Konditorei

Weimar, den 16. April 1903

Liebe vertraute Schwester! Der erste Vortrag ist also gehalten. Er war recht gut besucht. Es war mir oft, als ob ich Dich im Auditorium suchen müsste. — Übrigens sah ich sogleich, dass ich für Weimar einiges anders sagen müsse, als ich es in Berlin getan habe. Der Widerstände gibt es auch hier genug. Frau Lübke 1geb. v. Bleszynska (1859-1916), Frau des 1893 verstorbenen Kunsthistorikers Wilhelm Lübke, Mitglied der T.G. in London, seit 1902/03 auch der deutschen Sektion. 1903/04 lebte sie in Weimar, wo sie im April die drei öffentlichen Vorträge Rudolf Steiners veranstaltete und den Weimarer Zweig gründete. 1905 verzog sie nach Elberfeld und organisierte auch dort Vorträge Rudolf Steiners. Im April 1906 kehrte sie nach England zurück. arbeitet mit Hingebung. Es war alles in der schönsten und besten Weise arrangiert. Sie hat wirkliche theosophische Gesinnung. — Ich mache natürlich besonders in fremden Städten für mich immer neue wichtige Erfahrungen bezüglich der Art des Wirkens. Ich hoffe, dass wir vorwärts kommen, wenn ich alle solchen Erfahrungen fleißig verwerte. Wir, beide zusammenwirkend, dürfen hoffen, in Deutschland etwas zu erreichen. Wir sind auch dann zusammen, wenn wir räumlich nicht nebeneinander sind. - Den zweiten Vortrag werde ich populärer gestalten, als er in Berlin war. Bis ins kleine Weimar scheinen doch noch zu wenig Begriffe von Evolution und Naturwissenschaft gedrungen zu sein, trotzdem Haeckel in der Nachbarstadt Jena an der Universität wirkt.

Nach dem Vortrage hat mich gestern Herr von Henning 2Horst v. Henning (gest. 1943), Generalagent, Freund Rudolf Steiners aus der Weimarer Zeit, Mitglied der T.G. seit 1895, später Vorsitzender des Zweiges Weimar. zu den Schlaraffen verschleppt, deren Mitglied er ist. Es war ein Opfer; aber ich wollte es bringen, weil auch der Redakteur der Weimarischen Zeitung «Deutschland» darum anhielt; und ich möchte nicht, dass sich etwa die Zeitungen hier gleich von vornherein feindlich zur theosophischen Bewegung stellen. In kleinen Städten haben die Zeitungen noch einen viel größeren Einfluss als in größeren. Aber ich konnte wieder Erfahrungen sub specie humanitatis machen. Ich war vorher nie bei einer Sitzung der Schlaraffia.3Eine seit der Mitte des 19. Jahrhunderts über die ganze Erde verbreitete deutsche Vereinigung. Lit.: O. R. Zimmer, Schlaraffia, 1926. Das ist etwas, was ursprünglich als Parodie auf gewisse Auswüchse des gesellschaftlichen Lebens gegründet worden ist. Es ist nun lehrreich zu sehen, wie sich dergleichen Dinge in die Lebensgeister der Menschen einschmeicheln. Diese Schlaraffia hat viele Tausende von Mitgliedern in allen Teilen Deutschlands und Österreichs und Zweige in den meisten deutschen Städten. Nun ist ihr [ihr] ursprünglicher parodistischer Charakter kaum noch als solcher anzusehen; denn das Spiel wirkt Ernst in den Gemütern. Man muss so etwas sehen, um zu wissen, was alles in Menschengemütern an Strebungen lebt, die von dem abziehen, wohin wir führen wollen. Man weiß sonst oft gar nicht, wo der Quellpunkt gewisser astraler Vibrationen liegt, die einem mit großer Macht entgegentreten, und deren Ursprung in Orten unter der Oberfläche unseres sozialen Daseins zu suchen ist. An solchen Orten sammeln sich eine Menge Kräfte, die der Theosophie widerstreben. Sie treiben da unter den merkwürdigsten Masken ihr Spiel. Man lernt sie besonders in Form von Schmeichlern kennen, die sich langsam und sicher in die Seelen schleichen. Viele der Dinge, die unserer Bewegung entgegenwirken, führen, wenn man ihre Wirkenssphäre verfolgt, an solche und ähnliche Orte. Die Menschen, die vor uns sitzen, sind oft recht wenig bei uns, weil sie von Kräften dirigiert werden, die da und dorthin in die Lebens-Trivialität lenken, in eine Trivialität, die nach und nach Lebensnerv wird. Solchen Dingen kann nur durch die wirklichen Theosophen entgegengewirkt werden, die dies ganz sind, und die deshalb zu Akkumulatoren von Astralkräften werden, um eine Besserung des Denkens und Empfindens zu bewirken. Ich weiß, dass jeder Gedanke, wenn er auch unausgesprochen bleibt, wenn er sich aber nur in der theosophischen Linie bewegt, eine Kraft ist, die gerade gegenwärtig viel bedeutet. Ohne einen Stamm von wahren Theosophen, die in fleißigem Meditieren das Gegenwart-Karma verbessern, würde die theosophische Lehre doch nur halbtauben Ohren gepredigt.

Es ist wahrscheinlich, dass ich Sonnabend früh in Schlachtensee 4Im Januar 1903 wurde die Leitung der deutschen Sektion von der Kaiser-Friedrichstr. 54a in Charlottenburg nach Schlachtensee, Seestr. 40 verlegt, und im Oktober 1903 in die Motzstr. 17, Berlin W. bin, so dass mich Briefe, die dann erst ankommen, nicht mehr treffen. Heute abend ist theosophischer Zirkel bei Frau Lübke.

In Treuen und Brüderlichkeit Dein R. St.