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The Rudolf Steiner Archive

a project of Steiner Online Library, a public charity

Correspondence with Marie Steiner
1901–1925
GA 262

Translated by Steiner Online Library

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To Marie von Sivers in Schlachtensee near Berlin
Thursday, April 16, 1903, different version

Weimar, April 16, 1903

Dear Sister, Dear Confidante! So the first lecture is over. It was quite well attended. I often felt as if I had to look for you in the auditorium. Incidentally, I immediately saw that I would have to say some things differently in the lecture for Weimar. There is enough resistance here too. Mrs. Lübke works with dedication. Everything here was arranged in the most beautiful and best way. It is clear from the way Mrs. Lübke handles things that she has been at the source in England for five years. Her arrangements have a touch of distinction. Of course, especially in foreign cities, I always have new experiences regarding the way I work. I hope that if I diligently process and utilize all of them, we will make progress. We, working together, can hope to achieve something in Germany. We are together even when we are not physically next to each other. I will make the second lecture more popular than it was in Berlin. Even in little Weimar, too few ideas about development and science seem to have taken hold, despite Haeckel working at the university in the neighboring city. After the lecture, Mr. v. Henning took me to the Schlaraffia, of which he is a member. It was a sacrifice, but I wanted to make it because the editor of the local newspaper “Deutschland” asked for it, and I would not want the newspapers here, where they have more influence than in Berlin, to be hostile to Theosophy from the outset. But I was able to gain further experience sub specie universi. I had never been to a meeting of Schlaraffia before. It is something that its members hold dear. Yesterday the “Chancellor” gave a speech in which he said that anyone who had once been a Schlaraffe and had to stop being one would feel cut off from the source of life. This Schlaraffia is spread all over Central Europe and has members everywhere, who are divided into degrees of rank, from “pilgrims” to “junkers”, “knights” and “glories”. Whether there are even higher degrees is a mystery that I have not yet penetrated. But the basis of the whole society is triviality. It was painful to hear the speeches delivered in a special Schlaraffia dialect. My experience is that it exists and that thousands of people in Germany and Austria see something in Schlaraffia where they seek their best. One must see something like this to know what aspirations live in human minds that pull away from the direction towards the higher, towards the spiritual. Otherwise, one often does not know where the source of certain astral vibrations lies that confront one with power and whose origin is to be sought in the places below the surface of our social existence. In such places, the forces that oppose Theosophy gather; they play their game there under the most curious masks. One gets to know them particularly as flatterers, who sneak into people's souls with a very special language of the heart. It is a very solemn occasion. “Herrlichkeit” sits on a “'throne”, surrounded on one side by the “chancellor” and on the other by the “marshal”. They have

headgear that symbolically expresses their dignity. They have names that completely separate them from all that is “profane”. The entire “sitting” (German: “Sippung”) is conducted in a ceremonial manner. It is necessary to understand the magic of any ceremony if one wants to see through the determining power of these “sittings” on people. Many of the things that work against us in our quest lead, if you follow their threads, to such and similar places that elude the ordinary observer. The people sitting in front of us are often not really with us because they are directed by forces that steer them here and there. Such things can only be counteracted by true Theosophists, who are whole and therefore represent accumulators of astral forces that work to improve perception and feeling. I know that every thought, even if it remains unspoken, and only has its direction in the theosophical line, is a force that currently means a lot. Without a core of true theosophists who, through the most diligent meditation work, improve the present karma, the theosophical teaching would only be preached to half-deaf ears.

In loyalty and brotherhood, R. St.

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An Marie von Sivers in Schlachtensee bei Berlin
Donnerstag, 16. April 1903, andere Fassung

Weimar, 16. April 1903

Liebe vertraute Schwester! Der erste Vortrag ist also gehalten. Er war recht gut besucht. Es war mir oft, als ob ich Dich im Auditorium suchen müsste. — Ich sah übrigens sogleich, dass ich für Weimar einiges im Vortrag werde anders sagen müssen. Der Widerstände gibt es auch hier genug. Frau Lübke arbeitet mit Hingebung. Es war hier alles in der schönsten und besten Weise arrangiert. Man sieht es der Handhabung der Frau Lübke an, dass sie fünf Jahre in England an der Quelle gesessen hat. Ihre Arrangements haben einen Zug nach Vornehmheit. - Ich mache natürlich besonders in fremden Städten für mich immer neue Erfahrungen bezüglich der Art des Wirkens. Ich hoffe, dass wir vorwärts kommen, wenn ich die alle fleißig verarbeite und verwerte. Wir, beide zusammen wirkend, dürfen hoffen, in Deutschland etwas zu erreichen. Wir sind auch dann zusammen, wenn wir örtlich nicht nebeneinander sind. - Den zweiten Vortrag werde ich populärer gestalten, als er in Berlin war. Bis ins kleine Weimar scheinen doch noch zu wenig Begriffe von Entwickelung und Naturwissenschaft gedrungen zu sein, trotzdem Haeckel in der Nachbarstadt an der Universität wirkt. Nach dem Vortrage hat mich gestern Herr v. Henning zu den Schlaraffen verschleppt, deren Mitglied er ist. Es war ein Opfer; aber ich wollte es bringen, weil auch der Redakteur der hiesigen Zeitung «Deutschland» darum anhielt, und ich möchte nicht, dass sich etwa die Zeitungen hier, wo sie einen größeren Einfluss als in Berlin haben, von vornherein ablehnend der Theosophie gegenüber verhalten. Aber ich konnte wieder Erfahrungen sub specie universi machen. Ich war vorher nie bei einer Sitzung der Schlaraffia. Das ist etwas, an dem seine Mitglieder wie an einem Lebensnerv hängen. Gestern hielt der «Kanzler» eine Rede, in der er sagte, wer einmal Schlaraffe gewesen ist, und müsste aufhören, es zu sein, der fühlte sich von der Lebensquelle getrennt. Diese Schlaraffia ist über ganz Mitteleuropa verbreitet und hat überall ihre Mitglieder, die sich gradweise in «Pilger», «Junker», «Ritter» und «Herrlichkeiten» gliedern. Ob es noch höhere Grade gibt, ist ein Mysterium, zu dem ich noch nicht gedrungen bin. Nun ist aber die Grundlage der ganzen Gesellschaft die Trivialität. Es schmerzte, die Reden zu hören, die da in einem eigenen Schlaraffendialekt gehalten wurden. Meine Erfahrung ist, dass es solches gibt, und dass Tausende von Menschen in Deutschland und Österreich in der Schlaraffia etwas sehen, wo sie ihr Bestes suchen. Man muss so etwas sehen, um zu wissen, was alles in Menschengemütern an Strebungen lebt, die von der Richtung zum Höheren, zum Geistigen abzieht. Man weiß sonst oft gar nicht, wo der Quellpunkt gewisser astraler Vibrationen liegt, die einem mit Macht entgegentreten, und deren Ursprung in den Orten unter der Oberfläche unseres sozialen Daseins zu suchen ist. An solchen Orten versammeln sich die Kräfte, die der Theosophie widerstreben; sie treiben da unter den merkwürdigsten Masken ihr Spiel. Man lernt sie da besonders als Schmeichler kennen, die sich mit einer ganz eigenen Herzenssprache in die Menschenseelen schleichen. Es geht ganz feierlich zu. «Herrlichkeit» sitzt auf einem «’Thron», zur einen Seite vom «Kanzler», zur andern vom «Marschall» umgeben. Man hat

Kopfbedeckungen, die die Würden symbolisch zum Ausdruck bringen. Man hat Namen, die einen ganz abtrennen von allem «Profanen». Man verbringt die ganze «Sippung» (deutsch: Sitzung) in zeremoniellen Formen. Es ist notwendig, den Zauber jeglicher Zeremonie zu kennen, wenn man die bestimmende Gewalt dieser «Sippungen» auf die Menschen durchschauen will. Viele der Dinge, die uns in unserem Streben entgegenwirken, führen, wenn man ihre Fäden verfolgt, an solche und ähnliche Orte, die sich dem gewöhnlichen Beobachter entziehen. Die Menschen, die vor uns sitzen, sind oft recht wenig bei uns, weil sie von Kräften dirigiert werden, die da und dorthin lenken. Solchen Dingen kann nur durch die wirklichen Theosophen entgegengewirkt werden, die dies ganz sind, und die deshalb Akkumulatoren von Astralkräften darstellen, die auf eine Besserung des Empfindens und Fühlens wirken. Ich weiß, dass jeder Gedanke, wenn er auch unausgesprochen bleibt und nur seine Richtung in der theosophischen Linie hat, eine Kraft ist, die gegenwärtig viel bedeutet. Ohne einen Grundstock von wahren Theosophen, die in fleißigster Meditationsarbeit, das Gegenwart-Karma verbessern, würde die theosophische Lehre doch nur halbtauben Ohren gepredigt.

In Treuen und Brüderlichkeit Dein R. St.