On the History and Content of the First Section of the Esoteric School
1904–1914
GA 264
Translated by Steiner Online Library
To Günther Wagner in Lugano
Berlin, August 29, 1904
Dear Mr. Wagner:
When Miss Scholl recently asked whether the two speeches by Annie Besant related to the Christian question should be translated, I was unable to advise. Please do not take this, dear Mr. Wagner, as if I were opposed to the translation. I would even be pleased to see another book by Annie Besant appear in German. But the occultist must strictly distinguish between direct advice and what I have just characterized. If I may express myself trivially, I would like to “abstain” from voting on this question. But in this case I would very much like my opinion to be completely disregarded.1As can be seen from two letters from Günther Wagner to Rudolf Steiner dated September 1 and 2, 1904, there were plans to translate the English brochure “Is Theosophy anti-Christian?” by Annie Besant into German and distribute it among the clergy in Germany. Evidently Rudolf Steiner was not comfortable with this intention.
Do not misunderstand me, dear Mr. Wagner. I would like you to hear me judge; but I also always want to clearly indicate when my judgment should not be taken into account at all. Only when we, who are united in the esoteric school, face each other in this way is the full freedom that occultism demands guaranteed.
Next, I will send you the rules of the German E.S. There I will also write to you in more detail about the movement in favor of the Gospel of John.2A letter about this is not available. In July 1904, in lectures given at the Berlin branch – which Günther Wagner had listened to – Rudolf Steiner had indicated that “a movement” would be born out of the bosom of the Theosophical Society, which would bring “a true understanding of Christianity, not in the ordinary sense” (July 11, 1904). And on July 18, 1904, there was talk of a “John Society,” a “John Gospel Department,” whose task would be to make known to the widest circles the inexhaustible depths of the Gospel of John. Whoever knows what can be found and learned there may “join this Gospel of John department with all their heart.”
For the time being, I ask you to continue as before with your position in the E.S. for the next few weeks.
Your sister Amalie is an E.S. member. Your other sister will probably be one in a few days.
In No. 15 of “Lucifer-Gnosis” I present a detailed discussion of the “four great religions”. 3Four lectures by Annie Besant, delivered at the 21st annual meeting of the Theosophical Society in Adyar, translated into German by Günther Wagner, published by Max Altmann, Leipzig 1904. Rudolf Steiner's discussion can be found in GA No. 34, “Lucifer-Gnosis”. I hope that this book will go a long way. It is likely to win many hearts.
At the beginning of September, there will probably be an E.S. meeting here again. It will probably be about telling the E.S. members about the nature of the “Masters” and the help they give to the E.S. workers. On September 12th I shall then hold a T.S. meeting to prepare for Annie Besant's visit. And then we want to make our way through Germany with our Soul. I look forward to this with great satisfaction. On September 25th I shall then speak in Dresden on 'Theosophy and Modern Science'. — I know that this step will be much misunderstood. But I have no other option than to take it. It may be misunderstood, but it cannot have an unfavorable effect in the higher sense.4On September 25, 1904, Rudolf Steiner spoke on this topic at the Third General Theosophical Congress in Dresden. This was organized by the Hartmann people who were not affiliated with Adyar.
I was very pleased that you, dear Mr. Wagner, were able to visit us in July. I hope you and your dear wife have arrived safely in Lugano. Please give her my warmest regards and receive
Most devotedly yours,
Rudolf Steiner
Berlin W, Motzstrasse 17
An Günther Wagner in Lugano
Berlin, 29. August 1904 Lieber verehrter Herr Wagner!
Als vor kurzem Fräulein Scholl die Frage stellte, ob die beiden auf die christliche Frage bezüglichen Reden Annie Besants übersetzt werden sollen, habe ich nicht zuraten können. Fassen Sie, lieber Herr Wagner, das nicht so auf, als wenn ich gegen das Übersetzen wäre. Ich werde sogar mit Befriedigung begrüßen, wenn wir wieder eine Schrift von Annie Besant in deutscher Sprache erscheinen sehen werden. Aber der Okkultist muß streng unterscheiden zwischen direktem Zuraten und dem, was ich soeben gekennzeichnet habe. Wenn ich mich trivial ausdrücken darf, ich möchte mich in dieser Frage «der Abstimmung enthalten». Ich möchte aber in diesem Falle durchaus, daß meine Meinung dabei ganz unberücksichtigt bleibt.1Wie aus zwei Briefen Günther Wagners an Rudolf Steiner vom 1. und 2. September 1904 hervorgeht, bestand der Plan, die auf englisch vorliegende Broschüre «Is Theosophy antichristian?» von Annie Besant ins Deutsche zu übersetzen und in Deutschland unter Geistlichen zu verbreiten. Offenbar konnte Rudolf Steiner sich mit dieser Absicht nicht befreunden.
Mißverstehen Sie mich nicht, lieber Herr Wagner. Ich möchte gerne, daß Sie mich hören, wenn ich urteile; aber ich möchte auch immer scharf bezeichnen, wann mein Urteil gar nicht in Betracht kommen soll. Nur, wenn wir, die wir in der esoterischen Schule vereint sind, uns so gegenüberstehen, ist die volle Freiheit garantiert, die der Okkultismus verlangt.
Nächstens sende ich Ihnen die Regeln der deutschen E.S. Da werde ich auch noch auf die Bewegung zu Gunsten des JohannesEvangeliums Genaueres an Sie schreiben.2Ein Brief darüber liegt nicht vor. Rudolf Steiner hatte im Juli 1904 in Berliner Zweigvorträgen - die Günther Wagner mitgehört hatte - darauf hingewiesen, daß aus dem Schoße der Theosophischen Gesellschaft «eine Bewegung» herausgeboren würde, welche «ein wahres Verständnis des Christentums bringen wird, das man nicht im gewöhnlichen Sinne habe» (11. Juli 1904). Und am 18. Juli 1904 wurde von einer «Johannes-Gesellschaft», einer «Johannes-Evangelium-Abteilung» gesprochen, deren Aufgabe darin bestünde, in weitesten Kreisen bekanntzumachen, welche unausschöpflichen Tiefen im Johannes-Evangelium liegen. Wer wisse, was da zu suchen und zu lernen ist, dürfe «aus vollem Herzen sich dieser Johannes-Evangelium-Abteilung anschließen».
Vorläufig bitte ich Sie, für die nächsten Wochen es mit Ihrer Stellung in der E.S. zu halten wie bisher.
Ihre Schwester Amalie ist E.S.-Mitglied. Ihre andere wird es wohl in wenigen Tagen sein.
In Nr. 15 von «Lucifer-Gnosis» bringe ich eine ausführliche Besprechung der «vier großen Religionen».3Vier Vorträge von Annie Besant, gehalten bei der 21. Jahresversammlung der Theosophischen Gesellschaft in Adyar, ins Deutsche übersetzt von Günther Wagner, Verlag Max Altmann, Leipzig 1904. Die Besprechung von Rudolf Steiner findet sich in GA Nr. 34, «Luzifer-Gnosis». Ich hoffe, daß dieses Buch einen guten Weg machen wird. Es ist geeignet, viele Herzen zu gewinnen.
Anfangs September wird wohl hier auch wieder eine E.S.Versammlung sein. Es wird sich dabei wahrscheinlich darum handeln, den E.S.-Mitgliedern von dem Wesen der «Meister» zu sprechen, und von der Hilfe, die sie den E.S.-Arbeitern gewähren. Am 12. September werde ich dann eine T.S. Versammlung halten, um auf Annie Besants Besuch vorzubereiten. Und dann wollen wir mit unserer «Seele» den Weg durch Deutschland machen. Ich sehe dem mit großer Befriedigung entgegen. Am 25. September werde ich dann in Dresden über «Theosophie und moderne Wissenschaft» sprechen. — Ich weiß, daß dieser Schritt viel mißverstanden werden wird. Aber ich habe keine andere Möglichkeit, als ihn zu tun. Mißverstanden kann er werden; aber ungünstig wirken - im höhern Sinne - kann er nicht.4Am 25. 9. 1904 hat Rudolf Steiner über dieses Thema auf dem III. Allgemeinen Theosophischen Kongreß in Dresden gesprochen. Dieser wurde von den Hartmann-Leuten, die nicht an Adyar angeschlossen waren, veranstaltet.
Es war mir sehr lieb, daß Sie, lieber Herr Wagner, im Juli bei uns gewesen sind. Hoffentlich sind Ihre liebe Frau und Sie wohl in Lugano wieder angekommen. Grüßen Sie schönstens und empfangen Sie herzlichsten Gruß
Ihres getreuen
Rudolf Steiner
Berlin W, Motzstrasse 17